ARCHITEKTUR
Zwei Formen sind in der chiranischen Architektur bestimmend: die Pyramide und die Kuppel.
Die Pyramidenform findet vor allem in öffentlichen Anlagen der Verwaltung und der Staatsmacht Verwendung, also Gebäuden, die repräsentativ und gut für als staatliche Bauten erkennbar sein sollten. Diese Pyramiden nehmen freilich eine gewaltige Grundfläche ein, weshalb man mehr und mehr dazu übergeht, die Seiten in einem immer steileren Winkel auf den Boden treffen zu lassen, um mehr Wohnraum zu schaffen. So sind die Verwaltungsgebäude der neueren Stadtviertel fast schon als Türme zu bezeichnen, da sich ihre Spitzen mehrere Dutzend Meter über das umgebende Gewirr aus Dächern erheben. Die Außenwände der Pyramiden sind flach, nur hier und da unterbrochen von Einbuchtungen für einen Balkon oder ein senkrechtes Fenster.
In den seltensten Fällen finden sich die Eingänge am Sockel des Bauwerkes, sondern mehrere Meter über dem Boden. In den ältesten Vierteln der Hauptstadt der Allianz sind die Pyramiden so dicht aufeinandergebaut, daß sich ihre Schrägen unten berühren. Dort sammelt sich natürlich sehr schnell das Wasser und schießt mit sehr hohen Geschwindigkeiten durch die Kanäle. Dementsprechend wurden in ca. 3 bis 4 Metern Höhe zwischen den Pyramiden Böden aus Holz eingespannt, auf denen der Verkehr fließen kann. Der große Freiraum zwischen den Böden und dem eigentlichen Erdreich ist oft feucht, an manchen Stellen sogar von Sumpfpflanzen bewachsen und wird des öfteren von der ärmsten Bevölkerung als Unterschlupf benutzt.
Stufenpyramiden wurden nur wenige errichtet. Daß sie mit ihren vorgelagerten Terassen, ihren senkrechten Wänden und unkomplizierten Bauweisen eigentlich bedeutend praktischer sind, ist ihnen sehr wohl bewußt, aber die Chirà empfinden diese Gebäude, die sich hier und da ausschließlich als Wohnanlagen finden, als unschön und als eine Beleidigung für die Augen.
Der neuste Trend im Pyramidenbauwesen ist dahingehend, einen zentralen Lichtschacht anzulegen, der oben bei starken Regenfällen zur Mittagszeit durch mehrere wasserdichte Planen bedeckt werden kann. Für Aufsehen im positiven Sinne haben auch die Experimente einiger Architektinnen, darunter vor allem von Tejha Aljenor Chranirual gesorgt, die Pyramiden mit drei-, fünf-, sechs- und siebenseitigen Grundflächen entwarfen und erfolgreich in wahre Perlen im Stadtbild verwandelt wurden
Kuppeln sind eine verhältnismäßig neumodische Leidenschaft der oberen Schichten. Besonders die privaten Villen der oberen Schichten von Adelskaste und Priesterschaft übertrumpfen sich mit immer gewagteren Kuppelbauten. Sogar in die Kastenpyramide der Chrania wurden schon die ersten Kuppeln integriert.
Einige Kulte der Mra-Aggar haben auch die Eleganz und Würde dieser scheinbar schwebenden Gewölbe schätzen gelernt, doch lehnen vor allem konservative Kräfte aus den Priesterschaften der Hostinos-Kulte die neue Baurichtung für sakrale Anlagen ab und verweisen auf die jahrtausendealte Tradition der Pyramidentempel.
Dabei ist dieses architektonische Element schon relativ lange in Verwendung: sämtliche Thermen der Chirà verfügen über riesige Kuppeln, doch nur allmählich fanden sie über die privaten Badehäuser der Oberschicht auch Eingang in die Wohnbereiche. Eben die Herkunft aus den Badeanstalten, die ja nicht selten auch eine sehr persönliche Betreuung durch ausgewählte Lustsklaven bieten, läßt viele Priesterschaften vor der Verwendung dieser Form zurückschrecken, fürchten sie doch, bald mit derartigen Etablissements verwechselt zu werden.
Die großen Straßen und Plätze wurden großzügig und prunkvoll geplant. Besonders beliebt sind Triumphbögen und Säulenalleen, prächtige Brunnen und kleine Bereiche, die mit Bäumen und Blumen bepflanzt sind. Man bemüht sich ständig, die oftmals Kellipet-großen Plätze mit Grünzonen aufzulockern, sie so zu strukturieren und gleichzeitig lebendige Akzente zu setzen. Das Ergebnis sind wundervolle Anlagen voller Leben, auf denen Kinder spielen und in Ruhe palavert werden kann. Enge Straßen und von hohen Gebäude umgebene Märkte wie in den Städten der Menschen findet man nur in den älteren Stadtvierteln.
Das Aussehen der privaten Wohnbereiche ist natürlich stark von der jeweiligen Schicht abhängig. Während die großen Paläste der Adelskaste vor Säulengängen, Gärten, Kuppelhallen, künstlichen Wasserfällen im Empfangsraum, Terassen und Galerien nur so überfließen, ist der einfache Bürger auf schlichtere Behausungen angewiesen. Sein kleines angemietetes Zuhause liegt vermutlich an der Außenseite einer Wohnpyramide, tritt er aus seiner Eingangstüre heraus wird ihn ein langer Korridor zunächst ins Zentrum der Anlage führen, wo er eine große Halle vorfinden wird, die vielleicht eine kleine Gaststätte oder eine Grünanlage enthält.
Neben den Wohnpyramiden gibt es auch noch die ganz einfachen Häuser, die nahezu würfelförmig überall hingestreut wurden, wo für die gewaltigen Fundamente pyramidaler Bauten kein Platz mehr war. Diese Häuser sind schlicht und einfach, bieten jedoch viel Wohnraum und oft zahlreiche Fenster. Böse Zungen behaupten, in ihnen ließe es sich fast besser leben als in einer Pyramide, in der eine Seite des Zimmers immer abgschrägt ist und so die Einrichtungsmöglichkeit doch stark einschränkt. Doch nirgendwo hat der Satz so viel Gütligkeit wie bei den Chirà: wer schön sein will, muß leiden. Das gilt auch für die Architektur.